Nach den Forschritten in der Rüstungskontrolle mit dem Ende des Kalten
Krieges setzte Mitte der 1990er Jahre ihre Stagnation ein, die sich
spätestens mit der Amtsübernahme der Bush-Administration zu einer
handfesten Krise auswuchs. Obwohl einige Stimmen sogar ihr Ende
prognostizierten, sieht der vorliegende Band Rüstungskontrolle nach
wie vor als wesentliches Instrument an, um zwischenstaatliche Beziehungen
gerade angesichts der aktuellen weltpolitischen Situation, in
der sich die Machtverhältnisse verschieben können, im sensiblen Bereich
der Rüstungs- und Sicherheitspolitik zu steuern. Vor dem Hintergrund
damit einhergehender neuer Aufgaben analysieren die hier vertretenen
Beiträge deshalb für verschiedene Bereiche der Rüstungskontrolle, was
bisher erreicht wurde und welche Veränderungen nötig sind, um sie an
die Herausforderungen des gegenwärtigen internationalen Systems anzupassen.
Von Una Becker / Harald Müller / Elvira Rosert.
Beestermöller, Gerhard / Justenhoven, Heinz-Gerhard (Hg.): Der Streit um
die iranische Atompolitik. Völkerrechtliche, politische und friedensethische
Reflexionen.
Andreas Th. Müller
Chesterman, Simon / Lehnardt, Chia (Hg.): From Mercenaries to Market.
The Rise and Regulation of Private Military Companies.
Dustin Dehéz
Halpin, Edward / Trevorrow, Philippa / Webb, David / Wright, Steve (Hg.):
Cyberwar, Netwar and the Revolution in Military Affairs.
Götz Neuneck
Adib-Moghaddam, Arshin: The International Politics of the Persian Gulf:
A cultural geneology
Ali Fathollah-Nejad
Sidel, John T.: Riots, pogroms, jihad: religious violence in Indonesia.
Andreas Ufen
Autorinnen und Autoren dieses Heftes.
Abhandlung
After the early attempt to eliminate nuclear weapons had failed, an international
order had to be constructed that, by institutionalising restraint among
states with diverse power resources, would ensure survival and generate
stability within the anarchic international system. This article explores the
nature of this order, and considers why it fell into disarray after developing
strongly in the early post-Cold War period. The opportunity to achieve a more
profound limitation of nuclear arms was missed. Although complete nuclear
disarmament remains the primary goal in face of mounting dangers, chances
of achievement are being diminished by international tensions, power transitions,
and intrinsic difficulties of implementation.
Die Regime gegen Massenvernichtungswaffen erfüllen wichtige sicherheitspolitische
Funktionen und tragen dazu bei, Terrorismus mit diesen Waffen zu
verhindern. Eine regimetheoretische Analyse zeigt für alle drei Regime stabilisierende
und destabilisierende Tendenzen sowie eine Spaltung zwischen
Nord und Süd. Im nuklearen Nichtverbreitungsregime wirkt die Diskriminierung
zwischen Kernwaffen- und Nichtkernwaffenstaaten in Verbindung mit
der mangelhaften Umsetzung der Abrüstungsverpflichtung destabilisierend.
Das Biowaffen-Regime zeigt eine neue Dynamik zum Thema Biosicherheit,
aber auch anhaltende Konflikte um Technologieaustausch und Verifikation.
Obwohl das CWÜ derzeit am stabilsten erscheint, gilt es, drohende Probleme
z.B. im Bereich Verifikation und Abrüstung abzuwenden. Wenn die Regime
ihrer Aufgabe effektiv nachkommen sollen, müssen die strukturellen Defizite
bearbeitet sowie jeweils die Abrüstungs-, Nichtverbreitungs- und Kooperationsbestimmungen
gleichermaßen vollständig und ausgewogen umgesetzt
werden.
The claim that multilateral non-proliferation treaties are of little value in the
fight against nuclear, biological, and chemical terrorism does not hold up under
scrutiny. These instruments strengthen the international norm against the
acquisition and use of weapons of mass destruction (WMD), require member
states to adopt implementing legislation making the treaty prohibitions binding
on their citizens at home and abroad, and provide an institutional framework
for international consultation and cooperation. Nevertheless, national
implementation of the non-proliferation treaties must be improved if they are
to achieve their potential as a tool for combating WMD terrorism.
Seit vielen Jahrzehnten ist technische Innovation zentraler Teil der Kriegsvorbereitungen.
Neue Waffen haben die militärische Lage zwischen potentiellen
Gegnern oft instabiler gemacht. Präventive Rüstungskontrolle zielt darauf
ab, solche und andere negative Folgen im Vorfeld einzudämmen. Sie ist auch
nach dem Kalten Krieg noch relevant und würde auch den terroristischen Zugang
zu neuen Technologien und Systemen beschränken. Mittels eines Kriterienrasters
können neue Technologien bewertet werden. Wenn vorbeugende
Begrenzungen nötig erscheinen, müssen Vor- und Nachteile verschiedener
Optionen abgewogen und Überprüfungsmethoden dafür konzipiert werden.
Dringende Herausforderungen stellt der sich beschleunigende technische
Fortschritt unter anderem in der Biotechnik, Nanotechnik und Robotik.
Der erdnahe Weltraum wird zunehmend von führenden Staaten für vielfältige
zivile, kommerzielle aber auch für militärische Zwecke genutzt. Während
des Kalten Krieges haben es die Supermächte vermieden, Waffen im All dauerhaft
zu stationieren, da dies zu provokativ und teuer war. Insbesondere in
den USA werden aber nun Technologien entwickelt, um die Kontrolle für den
Weltraum zu erreichen. China und Russland könnten an „asymmetrischen
Antworten“ arbeiten. Der Artikel untersucht die internationale Debatte zu
dieser Problematik und die längerfristigen politischen und technologischen
Konsequenzen. Ziel sollte die Schaffung eines verbindlichen, verifizierbaren
Verbotsregimes für alle Arten von Weltraumwaffen sein. Auf dem Weg dorthin
sind diverse vertrauensbildende Maßnahmen ebenso denkbar wie erste
institutionelle und technische Schritte. Die Europäische Union sollte auf diesem
Gebiet der Rüstungskontrolle im Weltraum Vorreiter werden.
Vor dem Hintergrund der Krise in der multilateralen Rüstungskontrolle
gewinnen regionale Ansätze der Vertrauensbildung und Abrüstung an Aufmerksamkeit.
Neben den Kernfunktionen der Herstellung eines militärischen
Kräftegleichgewichts und der Verbesserung militärischer Transparenz zwischen
Konfliktparteien können regionale Rüstungskontrollregime dazu beitragen,
Konflikte zu befrieden und externe Mächte in regionale Abkommen
einzubinden. Regionale Rüstungskontrollregime können multilaterale Abkommen
stärken, indem sie Problemstaaten an globale Normen heranführen
und die nationale Umsetzung multilateraler Abkommen verbessern. Während
es in Europa primär um die Konsolidierung und Anpassung vorhandener Regime
geht, müssen im Nahen Osten und Südasien erst die Voraussetzungen
für regionale Rüstungskontrolle geschaffen werden. Die Zukunft regionaler
Rüstungskontrolle liegt in der Befriedung von Problemregionen und in der
Stärkung globaler Rüstungskontrollbemühungen.
Gleich drei Regime sind im Rahmen der humanitären Rüstungskontrolle im
vergangenen Jahrzehnt verhandelt worden. Charakteristisch für diese neuen
Formen der Rüstungskontrolle und Abrüstung sind die individuellen Verhandlungslösungen,
die im Fall der Anti-Personenminenkonvention und des
Streubombenverbots außerhalb bestehender internationaler Organisationen,
wie den Vereinten Nationen, verhandelt wurden. Humanitäre Rüstungskontrolle
konzentriert sich auch auf die Wiederherstellung von Staatsfunktionen
im Sicherheitssektor: Dies gilt vor allem für das Kleinwaffenaktionsprogramm
von 2001. Die neuen Regime sind mit den Problemstellungen und
Herausforderungen des 21. Jahrhunderts konfrontiert: Fragile Staatlichkeit,
die Privatisierung von Sicherheit, Gewaltökonomien und Ressourcenkriege,
Terrorismus sowie Armut und Unterentwicklung setzen jenen neuen Formen
der Rüstungskontrolle Grenzen.