Tapio Wirkkala für Rosenthal

Laurén, Uta

Tapio Wirkkala für Rosenthal

Was die Funktion fordert, die Produktion verlangt und der Markt wünscht

Reihe Schriftenreihe des Finnland-Instituts in Deutschland, Band-Nr. 8
Bestell-Nr 1085
ISBN 978-3-8305-1085-7
erschienen 02.10.2007
Format kartoniert
Umfang 207 S.
Gewicht 398 g
Preis 29,00
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Die Bedeutung und das Ausmaß des Schaffens des international bekannten finnischen Designers Tapio Wirkkala für den deutschen Porzellanhersteller Rosenthal ist bisher relativ unbekannt geblieben. Wirkkala gehörte zu den Designern, die das neue, moderne Antlitz der traditionsreichen Marke Rosenthal während drei Jahrzehnten, von 1956 bis 1985, entscheidend mitgeprägt haben. Die Erkenntnis, dass die gute Form am Erfolg eines Produktes maßgeblichen Anteil hat, bestätigte sich im Verlauf der Menschheitsgeschichte immer wieder.
Der Designer, der eng mit der Industrie kooperiert, ist Teil der Kultur seiner Zeit. Das Schaffen des finnischen Designers Tapio Wirkkala für den deutschen Porzellanhersteller Rosenthal wird im vorliegenden Band in erster Linie vor seinem historischen und sozialen Hintergrund betrachtet, wobei ebenfalls wirtschaftliche Aspekte anklingen. In dieser Abhandlung wird der Frage nachgegangen, wie die Zusammenarbeit zwischen Wirkkala und Rosenthal zustande kam und wie sich der Visionär Philip Rosenthal und der finnische Stardesigner gegenseitig ergänzten und inspirierten. Wie nutzten der deutsche Unternehmer und der finnische Designer die vielseitigen Möglichkeiten, die das Design bietet, um ein Traditionsunternehmen wie Rosenthal zu erneuern und es zu einem Begriff für modernes und individuelles Lebensgefühl zu machen? Anhand von umfangreichem, zu einem beachtlichen Teil bisher unveröffentlichtem historischen Bildmaterial werden die Arbeitsweise Tapio Wirkkalas und der Entstehungsprozess seiner erfolgreichen Porzellanprodukte für die Rosenthal AG aufgezeigt. Dabei steht der oft langwierige und schwierige, äußerst komplizierte Prozess der Produktentwicklung in einem Produkt-Segment im Mittelpunkt, in dem künstlerische Kreativität und Erfordernisse der serienmäßigen Massenproduktion aufeinander treffen.
Uta Laurén, langjährige Kustodin am Finnischen Glasmuseum in Riihimäki, Finnland, hat bisher mehrere wissenschaftliche Arbeiten vor allem zur Geschichte des finnischen Glasdesigns publiziert und Fachbeiträge und Rezensionen für Fachzeitschriften im Bereich Glasdesign und Glaskunst veröffentlicht.
Rezensionen
Wer Ende der fünfziger Jahre von Finnland nach Deutschland kam, musste feststellen, dass man hier im allgemeinen recht wenig über das Land wusste. Es fiel jedoch häufig in Gesprächen die Bemerkung, dass das finnische Glas weltberühmt sei, und im gleichen Atemzug hörte man dann oft den Namen Tapio Wirkkala. Dagegen wusste kaum einer, dass dieser finnische Designer gerade in diesem Zeitraum, genauer im Jahr 1956, seine Tätigkeit für die traditionsreiche deutsche Porzellanfabrik Rosenthal im oberfränkischen Selb begonnen hatte. Seine Tätigkeit sollte entscheidend dazu beitragen, dass Philip Rosenthal jr. (1916–2001), der im Jahr 1958 die Leitung der väterlichen Firma übernommen hatte, seine sich zum Ziel gesetzte Aufgabe erreichen konnte: die Modernisierung des Erscheinungsbildes des deutschen Porzellans und die Umgestaltung der eher konservativen Marke zu einem internationalen Leitbild für zeitgenössisches Design – mit der Rosenthal Studio-Linie sogar zu einer modernen Alternative zum Meissener Porzellan.
So bekannt wie der Name Tapio Wirkkala im internationalen Glasdesign ist, so unbekannt ist selbst in Deutschland und Finnland der immense Umfang seines Schaffens für Rosenthal AG, das fast dreißig Jahre andauerte und erst mit dem Tod Wirkkalas im Jahr 1985 endete.
Diese Lücke schließt nun die fundierte und hervorragend recherchierte Veröffentlichung von Uta Laurén. Als langjährige Kustodin des Finnischen Glasmuseums in Riihimäki ist sie eine profunde Kennerin der Materie. Schon in der Monografie Tapio Wirkkala – ajattelevat kädet aus dem Jahr 2000 hat sie ein Werksverzeichnis der Produkte und Porzellandekore Wirkkalas für Rosenthal veröffentlicht. Dazu kommt, dass sie auch in der deutschen Kultur zu Hause ist, was die Authentizität ihres Buchs noch unterstreicht. So konnte sie auch an Ort und Stelle in Selb Gespräche mit Mitarbeitern, Zeitzeugen und Weggenossen Wirkkalas führen.
Tapio Wirkkala (1915-1985) gelang der internationale Durchbruch mit seinen Glasobjekten, die auf den Triennalen von Mailand 1951 und 1954 ausgezeichnet wurden und bald darauf in wichtigen Sammlungen u. a. in den USA zu sehen waren. Ab 1954 arbeitete Wirkkala als künstlerischer Leiter der Glaswerke Karhula-Iittala, daneben auch als künstlerischer Leiter des Instituts für angewandte Kunst in Helsinki. Während dieser Zeit wurde hier das Ausbildungsprogramm weiter entwickelt, und zwar eher weg von der kunstgewerblichen Arbeit und mehr in Richtung Industriedesign. Industriel design lernte Wirkkala in der Folge bei seinen zwei Arbeitsaufenthalten in New York im Büro des Designers Raymond Loewy noch näher kennen. Hier erfuhr er auch, was die Massenproduktion von Konsumgütern dem Designer abverlangt. Bedeutsam war dieser Amerika-Aufenthalt auch insofern, als hier die ersten Kontakte zu Philip Rosenthal zustande kamen. Sie sollten bald zu einer intensiven und für beide Seiten fruchtbaren Zusammenarbeit führen. Im Jahr 1965 gründete Wirkkala in Helsinki sein eigenes Büro. Das Entwerfen von Glas für littala und Karhula stand weiterhin im Vordergrund, daneben arbeitete er für Rosenthal, aber auch für die venezianische Glashütte Venini.
Bevor sich die Autorin den Arbeiten Wirkkalas für Rosenthal zuwendet, gibt sie einen Exkurs über den Weg des "Weißen Goldes" nach Europa sowie über die Porzellanherstellung hier und schildert die Entwicklung der Porzellanfabrik Rosenthal AG zu einem modernen Design-Unternehmen.
Detailliert wird die ganze Produktion Wirkkalas für Rosenthal mit vielen Abbildungen vorgestellt. Sie umfasst neben dem Porzellangeschirr für die Marken Thomas, Classic Rose und Studio-Linie auch Glasprodukte, Geschenkartikel aus Porzellan und Keramik sowie Bestecke, Campinggeschirr aus Plastik, Hotelgeschirr und Dekore; auch Möbelentwürfe hat er geliefert, die allerdings nicht verwirklicht wurden. Das erste Service für Rosenthal schuf Wirkkala mit Finlandia im Jahr 1956 für die Marke Thomas, und in den folgenden Jahren bis 1985 waren zum Beispiel von den insgesamt 27 Serviceformen von 13 Künstlern für die Rosenthal Studio-Linie allein acht von Wirkkala entworfen. Dies zeigt, wie stark die Studio-Linie, der "Produzent guten Designs", von der künstlerischen Kreativität Tapio Wirkkalas geprägt war. Entsprechend häufig wurde für seine Produkte die Auszeichnung Die Gute Industrieform iF verliehen, im Jahr 1973 beispielsweise neunmal für das Serviceprogramm Polygon.
Ein weiteres Kapitel ist der Arbeitsweise des Designers gewidmet. Diese wird ebenfalls mit zahlreichen Fotos sowie Abbildungen von Skizzen und Entwürfen veranschaulicht. So existieren etwa 7695 Skizzen, Entwürfe und Zeichnungen aus der Zusammenarbeit mit Rosenthal. Im Mittelpunkt für den Designer steht der schwierige Prozess der Produktentwicklung, in dem die künstlerische Kreativität und die Erfordernisse der serienmäßigen Massenproduktion in Einklang zu bringen sind. Wir erfahren, wie wichtig für Wirkkala die Eigenschaften des jeweiligen Materials und die einzelnen Phasen des Fertigungsprozesses waren. Philip Rosenthal schätzte in Wirkkala einen Designer, der "ein Handwerker, Industriedesigner, Künstler, technischer Erneuerer, Poet und Realist" war, und bot ihm die besten Möglichkeiten, seine Ideen zu verwirklichen. Wichtig für Wirkkala war die organische Natur als Quelle der Inspiration, auch wenn er die klare geometrische Form in solcher Vollendung wie im Service Polygon einsetzte. "Minutenlang konnte er die Bewegungen der Wasseroberfläche beobachten oder seinen Blick auf den Flug eines Vogels konzentrieren. Er untersuchte die Struktur eines Blatts oder die Rundungen eines Steins, verursacht durch das strömende Wasser. Solche Beobachtungen waren Ausgangspunkt seiner gesamten Arbeit", so schreibt der langjährige Direktor des Stedelijk-Museums Amsterdam, Edy de Wilde, nach einem Besuch bei Wirkkala in seiner Hütte am Inari-See.
Die Verfasserin beleuchtet dann die Zusammenarbeit Wirkkalas mit Rosenthal vor dem Hintergrund der Design-Entwicklung in Deutschland und Finnland mit einem aufschlussreichen Diskurs über die allgemeinen Strömungen des Designs seit Beginn der Nachkriegszeit bis in unsere Tage.
Philip Rosenthal hatte in der Werbeabteilung des väterlichen Unternehmens seine Laufbahn begonnen. Er konnte werbestrategisch sehr geschickt agieren und die Rosenthal-Produkte optimal auf den Markt bringen. Für die Rosenthal Studio-Linie beispielsweise wurden eigens bis ins Detail durchgestaltete Exklusivabteilungen, später eigene Studio-Häuser eingerichtet. Wirkkala als weltberühmter finnischer Designer – "ein Finne wie aus dem Bilderbuch" – wurde hier werbewirksam – und erfolgreich – eingebunden. Dies war auch im Sinne Wirkkalas, weil dies in Finnland üblich und demnach nichts Neues mehr für ihn war, wie die Verfasserin ausführt.
Im Anhang finden wir die Auflistung der Auszeichnungen Die Gute Industrieform iF für Tapio Wirkkalas Rosenthal-Produkte und ein sorgfältig zusammengestelltes und sehr hilfreiches Personen- und Sachverzeichnis sowie ein Quellen- und Literaturverzeichnis, das vom Archivmaterial über Interviews, mündliche Informationen, nicht gedruckte und gedruckte Quellen und wissenschaftliche Literatur bis zu Quellen aus dem Internet reicht. Dazu sei die Autorin zitiert: "Insgesamt habe ich bei der Auswahl des Materials Wert darauf gelegt, möglichst viele Originalquellen aus der betrachteten Zeit in die Untersuchung einzubeziehen. Darüber hinaus war es mir wichtig, sowohl deutsche als auch finnische Quellen zu verwenden, um die internationale Dimension des Schaffens von Tapio Wirkkala und sein Schaffen in und zwischen zwei Kulturen herauszuarbeiten." Auch dieses Buch von Uta Laurén ist ein hervorragendes Ergebnis vom Wirken in und zwischen zwei Kulturen, dem man wünschen möchte, dass es in dieser Form auch auf Finnisch erscheint.

(Tuuli Mahringer)

Jahrbuch für finnisch-deutsche Literaturbeziehungen, Nr. 40/2008, S. 234-237